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Anne Albers

Im Treppenhaus

Aktualisiert: 5. Dez. 2020

Ein Textschnipsel aus Karins Stockwerk:


Sie verlässt ihre Wohnung wie immer mit einem Rums, der im Treppenhaus nachhallt. Ein Stockwerk unter ihr klirrt und poltert es, als sei jemand mit einem gut bestückten Schlüsselbund in der Hand über die Türschwelle gestolpert. Karin hält inne und zieht ihren Fuß zurück, den sie gerade eine Stufe abwärts setzen wollte.

Sie lauscht. Ist das Manfred von unten rechts? Den alle Nachbarn nur Manni nennen. M-a-n-n-i. Die Sabine zieht immer ihre Schweinchennase zur Wurzel hin kraus und singt mehr als sie spricht, wenn sie Manni sagt.


Manni hat ein dickes Schlüsselbund, weil er beinahe von jedem im Haus einen Zweitschlüssel hütet und die Blumen gießen darf, wenn sie im Urlaub sind. Karin hat nur wenige Schlüssel an ihrem Bund, wie ihr Leben überhaupt mit wenigem bestückt ist. Ihr Alltag ist leise und so blank wie ein Teller, auf dem ein paar Erbsen liegen geblieben sind.


Vielleicht muß sie deshalb ihre Tür zuknallen. Sie will sich hören. Und mit jedem Knall nehmen die Nachbarn am Rhythmus ihres Lebens teil, stellt Karin sich vor. Die Nachbarn, die ihr gegenüber einsilbig sind. Bei Manni sind sie anders. Da gibt es ein lautes Hallo und Getratsche im Treppenhaus. Mannis Brummbär-Lachen sammelt sich dann im Treppenhausschacht und schraubt sich die Stockwerke hoch bis zu ihrer Tür.


Karin traut Manni nicht. Seine Freundlichkeit klebt.


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